Martin (fiktiver Name) bekommt das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht! So eine gute Laune hatte er lange nicht mehr. Er scheint sogar richtig glücklich zu sein, hier im Job! Naja, so viele Kollegen mit ’ne super Laune und Spaß bei der Arbeit gibt es ja sowieso schon seit Monaten nicht mehr. Aber ausgerechnet ER, der die letzten Wochen nur noch frustriert und lustlos seine Arbeit gemacht hat, und auch nur noch das, was dringend notwendig war… Ist er befördert worden oder hat einen Extra-Bonus bekommen oder ein Riesenlob vom Chef? Weiß der Chef irgendwas genaueres? Wenn ja, sollte er uns doch aber sofort informieren!
Beim nächsten Teammeeting verkündigt der Chef, dass uns Herr Martin X. verlassen wird im Sommer. Er hat gekündigt, von sich aus. Weitere Angaben kann er nicht dazu machen, da er keine weiteren Informationen darüber hat. Man müßte Martin schon selber fragen! – Bei allen geht nun das große Gedankenkarussel los. Jeder hat seine eigene Variante von möglichen Gründen, sofort geht Rätselraten und wilde Spekulationen los, der Flurfunk funktioniert auch online prima. Einige sind doch ganz dicke mit Martin, aber auch haben keine News. Nix genaues weiß man nicht! Schon mal erlebt?
Ist es sinnvoll, wenn ein Mitarbeiter von sich aus das Unternehmen verläßt, ein letztes Gespräch zu führen? Meine ganz klare Meinung dazu: JA, JA und JA! Ich empfehle sogar ein ausführliches Verabschiedungsgespräch.
Der Grund ist nicht, möglichen Gerüchten vorzubeugen, sondern ein wertvolles Feedback über die wirklichen Gründe für die Kündigung zu bekommen. Denn mit jedem der geht, gehen normalerweise auch wertvolles Wissen und Potenzial dem Unternehmen verloren. Wenn die Kündigung dazu noch freiwillig ist, umso wichtiger.
Versuchen Sie wirklich herauszufinden, warum der- oder diejenige gekündigt hat. Wenn jemand geht, ist er sicherlich gern bereit dazu, über seine Motivation, auf den „sicheren Hafen“ und das regelmäßige Gehalt zu verzichten. Er/ sie hat nichts mehr zu verlieren und das Unternehmen bzw. die Führungskraft kann so oftmals auf diesem Weg sehr wertvolle Informationen erhalten über seinen Verantwortungsbereich.
Führen Sie dieses Abschiedsgespräch ohne Zeitdruck, in einer angenehmen Atmosphäre, einem ruhigen Ort. Vielleicht ist es mal nicht die typische Raum- und Sitz-Konstellation wie bei den Beurteilungs-, Zielvereinbarungs- oder Jahresgesprächen. Und vor allem ist Vertrauen essentiell. Sichern Sie daher vorher absolute Vertraulichkeit zu und sagen Sie bitte, wie wertvoll Ihnen dieses Feedback als Führungskraft ist und die Gründe, die zu diesem Entschluss geführt haben.
Man kann niemals nicht kommunizieren. Heißt, auch wenn wie nichts sagen, kommunizieren wir mehr als 90% nonverbal – mit unserer Mimik, Augenkontakt, Gestik, Körperhaltung, Lautstärke, Tonfall und Satzmelodie, z.B. Am besten stimmen Sie sich also selbst vorher positiv auf das Gespräch ein. Versuchen Sie achtsam, empathisch und offen zuzuhören und den MENSCHEN gegenüber zu sehen.
Des weiteren ist es empfehlenswert, jedem die Möglichkeit zu geben, sich gut auf das Gespräch vorzubereiten. Dies hat folgende Vorteile:
der Mitarbeiter kann in Ruhe und objektiv seine Einschätzung vornehmen
-> Sie als Führungskraft kann im Abschiedsgespräch gleich nachfragen, wenn was unklar ist oder auch wenn Bewertungen oder einzelne Punkte nicht so rosig ausfallen.
-> schafft die Chance, sich mit Respekt und Wertschätzung für einander zu verabschieden.
Insbesondere den letzten Fakt finde ich einen großen Vorteil. Denn wie mein Vater immer sagt: „Man sieht sich immer zweimal im Leben!“
Im Folgenden finden Sie ein paar Tipps für die Gesprächsführung:
1.) Wichtig ist -auch um eine gesunde und offene Gesprächsführung zu ermöglichen, am Anfang darauf hinzuweisen, dass sich die Offenheit des Mitarbeiters nicht auf den Inhalt seines Zeugnisses auswirkt. Noch besser ist es, wenn das Zeugnis dem Mitarbeiter schon vorliegt. Ggf. ergibt sich noch Änderungsbedarf, der gemeinsam besprochen werden kann.
2.) Erfragen Sie nun die Gründe, die den Mitarbeiter zu seiner Kündigung bewogen hat:
- Wurde er/ sie nicht genügend gefördert?
- Konnte er/ sie eigene Erwartungen/ persönlichen Ziele nicht umsetzen?
- War er/ sie mit dem Führungsstil unzufrieden?
- Gab es Mobbing unter den Kollegen?
- Fühlte er/ sie sich unterbezahlt?
- Wurden seine /ihre Leistungen nicht ausreichend wertgeschätzt?
- Liegen private oder andere Kündigungsgründe vor?
- Hätte die Kündigung aus Sicht des Mitarbeiters verhindert werden können?
- Gibt es schon eine neuen Job/ eine neue Arbeitsstelle?
Bitte verteidigen Sie sich bzw. das Unternehmen nicht. Nehmen Sie die Meinung und die Erfahrung des Mitarbeiters nur als Feedback an. Ja, das ist mit der schwierigste Part! Wie Sie diese Informationen aufnehmen und weiterverarbeiten, können Sie später entscheiden. Im Gespräch sammeln Sie nur die wertvollen Informationen ein.
Wenn Ihnen der Mitarbeiter mit all seinem Erfahrungsschatz und Wissen und auch als wertvoller Mensch wichtig ist, dann verpassen Sie jetzt nicht die Gelegenheit nachzufragen, ob und wie Sie ihn/ sie wieder zurückgewinnen können. Sie müssen trotzdem keine nicht einhaltbaren Versprechungen machen, das wirkt unglaubwürdig und fliegt spätestens, wenn es nicht zur Umsetzung kommen kann, auf.
Vereinbaren Sie, ob/ dass Sie weiterhin in Kontakt bleiben wollen. Ihr Mitarbeiter schätzt es sicherlich auch sehr, wenn Sie das Protokoll nicht in Ihrem Schreibtisch verschwindet oder in der Personalakte, sondern er/ sie ebenfalls eine Kopie des Gesprächsprotokolls erhält.
Empfehlenswert ist ebenfalls, dass Sie dem Mitarbeiter zur Gesprächsvorbereitung eine Checkliste zur Beurteilung der Qualität wichtiger Arbeitsfaktoren mit Bewertungsskala (z.B. von sehr gut… schlecht oder anhand Schulnoten) zur Hand geben, wie z.B:
1.) Arbeitsbereich: Betriebsklima, Bezahlung, Arbeitszeiten, Verhältnis unter Kollegen, Teamarbeit, Kommunikation
2.) Aufgabenbereich: Verantwortung, Weiterentwicklung, Tätigkeiten, Perspektive, Arbeitsorganisation
3.) Führung durch den Vorgesetzten: Anerkennung, Feedback, Förderung, Kommunikation, Zusammenarbeit, Unterstützung durch die Führungskraft und optional
4.) Warum ich gekündigt habe: Platz für ausführliche Ausformulierungen lassen.
Also, lassen Sie uns bitte ein letztes Mal miteinander reden! Auch das ist Wertschätzung!